FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2016
170 www.fondsprofessionell.at | 4/2016 sichern gilt. „Entscheidend ist, dass meine Kunden ein Fundament haben. Egal was pas- siert, sie dürfen nicht allein dastehen.“ Seine Kunden sind in der Regel zwischen 20 und 35, manche kannte er schon vorher, anderen wurde er weiterempfohlen. Akquise in Form von Mailings und Telefonaten ist nicht seine Vorstellung von persönlicher Finanzberatung, betont Stadler. Er bevorzugt eine zwanglosere Kontaktaufnahme. Viele potenzielle Kunden- beziehungen bahnen sich seiner Erfahrung nach im Alltag an – so auch im lokalen Schützenverein, wo er Mitglied ist und schon viele Kunden gewinnen konnte. Stadler ist froh über seine Entschei- dung, auch wenn anfangs viele aus sei- nem Bekanntenkreis Vorbehalte hatten. Das Risiko, einen sicheren Job aufzuge- ben und ohne Vorkenntnisse in die Fi- nanzberatung zu wechseln, habe sich in jedem Fall gelohnt, meint er. Er sei viel unter Menschen, selbstständig und kom- me jeden Abend zu seiner Familie nach Hause. Dass er gegenüber erfahreneren Kollegen im Nachteil sei, glaubt Stadler nicht. Mit 40 Jahren fühlt er sich im rich- tigen Alter, um ein guter Wegbegleiter für sei- ne Kunden zu sein. Außerdem hofft er, vom Generationenproblem am österreichischen Be- ratermarkt profitieren zu können. Statistisch betrachtet hat er gute Chancen. Auswertungen der Wirtschaftskammer zeigen, dass sechs von zehn Vermittlern älter als 50 sind – nur 14 Prozent sind imAlter zwischen 20 und 39. Von der Uni zu Rewe Einer dieser „Jungen“, die gegen den Strom schwammen und mutig ihre Chance suchten, ist Thomas Leopold, 31 und Financial Con- sultant bei Finum Private Finance. Auch er ist heute selbstständig als Berater aktiv, sonst hat sein Werdegang mit der Karriere von Mario Stadler aber nicht viel gemein. In Groß-En- zersdorf geboren, ging Leopold in Wien zur Schule und begann nach der Matura ein Be- triebswirtschaftsstudium an der WU. Mit der Frage, was er nach dem Abschluss machen wollte, beschäftigte er sich erst gegen Studien- ende intensiver. Im Rahmen einer Veranstal- tung zum Thema Berufsorientierung wurde er auf ein Traineeprogramm bei der Rewe Group aufmerksam. Er bewarb sich und bekam zu seiner Freude auch die Zusage. Er wusste, eine solche Ausbildung kann die Basis für einen schnellen Aufstieg auf der Karriereleiter sein. Die Anfangseuphorie wich aber bald der Erkenntnis, dass die Arbeit nicht das war, was er sich vorgestellt hatte – zu eingeschränkt der Kontakt zu Menschen, zu stark der Fokus auf Kennzahlen. Dennoch machte Leopold die Ausbildung zu Ende, sah sich von da an aber verstärkt nach Alternativen um. Eine Stellenausschrei- bung von Finum Private Finance weckte seine Neugier. Sein erster Gedanke? Interessant, weil man viel mit Menschen zu tun hat. Wieder bewarb er sich. Wieder mit Erfolg. Damals erschien ihm der Umstieg sehr uner- wartet. Schließlich habe er nie mit dem Ge- danken an eine Finanzkarriere gespielt. Zufall war sein plötzliches Interesse rückblickend je- doch nicht, vielmehr war seine Entscheidung „hausgemacht“. Anders als er wollte sein Vater nach demWirtschaftsstudium unbedingt in den Finanzbereich, landete aber, nachdem seine Bemühungen fehlgeschlagen waren, in der Pharmabranche. Seine Affinität gab er allerdings an seinen Sohn weiter. „Mein Vater hatte selbst einen Anlageberater. Geld spielte bei uns immer eine wichtige Rolle“, sagt Leo- pold heute. Fünf Jahre und ein paar Monate ist es nun her, dass er den Schritt gewagt hat. Im ersten Jahr wurde er von Finum angestellt und start- klar gemacht, wie er erzählt. Erst ab dem zweiten Jahr war er als selbstständiger Berater tätig. „Das war eine Riesenumstellung“, erin- nert sich Leopold. „Denn natürlich ist es nicht leicht, sofort einen Kundenstamm zu haben, von dem man leben kann. Ich wurde aber da- rauf vorbereitet, in den ersten Monaten wenig bis kein Einkommen zu haben, und habe für diese Phase etwas zurückgelegt.“ Akademische Klientel Inzwischen ist Leopold mit seinem Ein- kommen zufrieden, betont aber, dass er sich nach wie vor in der Aufbauphase befindet. Aktuell betreut er rund 300 Kunden. Seine Zielgruppe unterscheidet sich aber wesentlich von der des Kundenbetreuers von Swiss Life Select. Das Geschäftsmodell von Finum Pri- vate Finance konzentriert sich sehr stark auf eine Klientel mit akademischem Hintergrund. Um an dieses anspruchsvolle Marktsegment heranzukommen, bietet die österreichische Tochter des deutschen Maklerpools Jung, DMS & Cie Bewerbungstrainings an. Zu die- sem Zweck werden regelmäßig Universi- täten und Fachhochschulen sowie Karrie- remessen besucht – mit dem Ziel, Studie- rende und Absolventen für das Coaching zu gewinnen. Teilnehmer werden am En- de um ihr Feedback gebeten, beschreibt Leopold den Ablauf. Dabei bekommen sie auch die Gelegenheit, Interesse hin- sichtlich Vorsorge- und Versicherungsthe- men zu bekunden. „Der Übergang von der Universität in den Beruf ist eine ganz wichtige Phase im Leben eines jungen Menschen – auch in finanzieller Hin- sicht.“ Auf die Frage, welche Erwartungen Leopold an seine Zukunft knüpft, sagt er: „Ich möchte ein langjähriger Partner für meine Kunden sein. Es wird spannend sein zu sehen, wie sie sich weiterentwickeln und wie sich die Beziehung zu ihnen verändert.“ Die Selbstständigkeit ist oftmals ein Sprung ins kalte Wasser, der viel Mut erfordert. Leo- pold genießt es. Bei Rewe musste er früh- morgens Kennzahlen berechnen, analysieren und vergleichen. Das war weder seine Welt noch seine Tageszeit. Nun kann er mehr und mehr darüber befinden, wann er am pro- duktivsten ist, und seinen Arbeitstag entspre- chend gestalten. Quereinstieg kein Nachteil Angesichts der vielen Unwägbarkeiten in Bezug auf verschuldete Staaten, Bankpleiten und die gesetzliche Pensionsversicherung wird der Bedarf an qualifizierter Finanzbera- tung nicht geringer. Kunden werden auch in Zukunft auf das Fachwissen und die Kompe- tenz von Anlageberatern und Versicherungs- vermittlern zurückgreifen. Dabei müssen es nicht immer geborene Finanzgenies sein, auch Quereinsteiger wie Mario Stadler und Thomas Leopold genießen das Vertrauen der Kunden, solange eine qualifizierte Ausbildung nach- gewiesen werden kann. An ihnen zeigt sich, dass es kein Nachteil sein muss, wenn man aus einem fremden Gebiet in die Finanz- branche wechselt. DANIEL WINKELMEIER | FP vertrieb & praxis I berater im por trät » Es wird spannend sein zu sehen, wie sich meine Kunden entwickeln und wie sich die Beziehung zu ihnen verändert. « Thomas Leopold, Finum
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