FONDS professionell Österreich, Ausgabe 4/2016

106 www.fondsprofessionell.at | 4/2016 markt & strategie I mittelzu- und -abflüsse Foto: © Fidelity W enn man schon keine attraktiven Renditen erzielt, dann wenigstens mit Immobilien, scheint das aktuelle Investmentmotto vieler Anleger zu sein. Und weil dem durchschnittlichen Sparer das not- wendige Kleingeld für ein Direktinvestment fehlt, greift er derzeit wieder häufiger zu offe- nen Immobilienfonds. Die jüngste Fonds- statistik der Vereinigung Österreichischer In- vestmentgesellschaften (VÖIG) belegt dies eindrücklich: Demnach sammelten Immo- bilienfonds sogar so viel frisches Geld ein wie nie zuvor. Laut der Statistik beliefen sich die Nettozuflüsse in offene Immobilienfonds per Ende Oktober auf mehr als 820 Millionen Euro. Das ist der höchste Wert seit der ersten Erhebung im Jahr 2004. Die Kauflaune am offenen Immobilienfondsmarkt spiegelt sich auch in der jüngsten Mittelzu- und -abfluss- Statistik von Software-Systems.at wider: Demnach flossen diesem Bereich seit Jahres- beginn 4,26 Milliarden Euro zu. Im Mai ver- zeichneten die Immobilienfonds mit 1,2 Mil- liarden Euro gar die höchsten Zuflüsse seit Oktober 2009. Damals steckten Anleger in nur einem Monat 4,25 Milliarden Euro in offene Immobilienfonds (siehe Grafik). Fonds senken Risiko Im Übrigen raten derzeit auch die Profis zu offenen Immobilienfonds. Thomas Hünicke, der mit seiner WBS Hünicke Vermögens- verwaltung seit dem Jahr 1990 private und institutionelle Kunden betreut, betont in einem aktuellen Kommentar, dass ein Direkt- investment in eine Immobilie beim Verkauf nicht unbedingt die erhofften Renditen einbringt: „Wer Immobilien als dyna- mische Transaktionsobjekte versteht, kann bei der Veräußerung Schwierigkeiten be- kommen, wenn sich der Markt nicht auf einem Peak befindet“, erklärt der aus Düs- seldorfer stammende Vermögensverwalter. Nur bei einem langfristigen Anlagehori- zont spielt die kurz- und mittelfristige Wertentwicklung keine Rolle, so der Ver- mögenverwalter weiter. Seiner Meinung nach sollten Anleger daher besser zu Im- mobilienaktien beziehungsweise -fonds greifen. „Sie bieten die gleichen Chancen, senken aber das Käuferrisiko erheblich“, ist Hünicke überzeugt. Brexit bewegt Immobilienmarkt Wer offene Immobilienfonds kaufen bezie- hungsweise vermitteln möchte, sollte sich auf Produkte konzentrieren, die in Kontinental- europa investieren. Denn das Brexit-Votum im Juni dürfte in den kommenden Monaten einige Bewegung in die Immobilienmärkte bringen. Laut dem aktuellen „European Investment Pulse“ von Fidelity International Real Estate Research werden Immobilien- investoren aus Europa zukünftig verstärkt lokal investieren. Ihr Anteil an Immobilien- anlagen in den Euro-Kernländern dürfte dem- nach in den nächsten beiden Jahren von 25 auf bis zu 35 Prozent steigen, erwartet Iryna Pylypchuk, Senior European Real Estate Ana- lyst bei Fidelity International. Insbesondere Immobilienanleger aus Deutschland, Frank- reich, Skandinavien und der Schweiz werden den Erwartungen zufolge ihre Allokationen innerhalb der Eurozone ausweiten. Der Aus- blick für Großbritannien sei dagegen eher getrübt. Das zeigt auch die „Emerging Trends in Real Estate“-Studie, die die Wirtschafts- prüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC und das Urban Land Institute jährlich erstel- len. Zwar galt London lange als Immobilien- Mekka. Nach dem Brexit-Votum stürzte Lon- don aber auf Platz 27 unter den 30 untersuch- ten europäischen Städten ab. Unter den 800 Branchenmanagern, die für die Erhebung weltweit befragt wurden, zählen hingegen deutsche Städte zu den attraktivsten euro- päischen Immobilienstandorten. Immobilienblase voraus? Nun ist die Nachfrage im Immobilien- bereich nicht gerade neu, der Trend läuft seit Jahren, und die Preise in einigen Ballungs- zentren haben bereits stark zugelegt. Die Sorge vor Übertreibungen scheint gerade in dem für Österreich wichtigen Nachbarland Deutschland nicht unberechtigt. Die Deutsche Bundesbank stellte kürzlich aber fest, dass sie in Deutschland nach wie vor keine Blasen- gefahr sehe. Ihr Argument: Es seien weder eine exzessive Kreditvergabe noch eine Abschwächung der Kreditstandards zu beobachten – beides wichtige Anzeichen für eine Blase. Bestätigt wird dies durch den „UBS Global Real Estate Bubble Index“, der nur in wenigen Städten welt- weit Warnsignale erkennt. In Europa sieht der Index lediglich in London, Stockholm und München eine gewisse Überhitzung. Wirklich „gefährlich“ sei demnach nur Vancouver, laut UBS derzeit der teuerste Immobilienmarkt der Welt. CORNELIA FUSSI | Tabellen zu dem Artikel finden Sie auf der nächsten Seite . FP Zwar sammeln offene Immobilienfonds nicht so viel frisches Geld ein wie im Jahr 2009, dennoch verzeichnet die Anlageklasse aktuell stattliche Zuflüsse. Boom bei Immobilienfonds Iryna Pylypchuk, Fidelity, erwartet, dass Immobilienanle- ger aus Europa verstärkt auf dem Kontinent investieren. Mittelaufkommen Immobilienfonds Seit Jahresbeginn flossen offenen Immobilienfonds 4,26 Mil- liarden Euro zu. Im Oktober 2009 sammelten die Fonds inner- halb eines Monats fast genauso so viel Geld ein. 2010 2012 2011 2009 2013 2014 2015 ’16 ’08 Mrd. Euro 0 2 1 3 4 -1

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