FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2015

276 www.fondsprofessionell.de | 3/2015 vertrieb & praxis I zer tifikate Foto: © Lawrence Wee | Dreamstime.com I n unserer Welt ohne Zinsen müsste ein Produkt, mit dem sich das Problem zu- mindest teilweise lösen lässt, eigentlich Hochkonjunktur haben: das Zertifikat. Richtig eingesetzt, können strukturierte Finanzproduk- te dabei helfen, die Portfoliorendite aufzupep- pen. Aber warum „müsste“? Ganz einfach, weil kaum ein deutscher Vermögensverwalter diese Option nutzt. In den B2B-Depots der DAB Bank, in denen vor allem Vermögens- verwalter und Fondsvermittler das Geld ihrer Kunden lagern, machten Zertifikate Ende Mai nur rund 1,5 Prozent des Depotvolumens aus – genauso viel wie schon Ende 2011. Die Schweiz tickt anders Dass dies grundsätzlich ungewöhnlich ist, zeigt ein Blick zu den Schweizer Kollegen. Der dortige Branchenverband schätzt, dass mehr als die Hälfte der Zertifikate, die von Privatanlegern gehalten werden, von Vermö- gensverwaltern platziert wurden. Hört man sich bei deutschen Geldmanagern um, warum sie Derivate einsetzen oder meiden, wird deut- lich, dass die Mehrheit kein Problem mit den Renditeprofilen der Zertifikate hat. Was den Anlageprofis Sorgen bereitet, ist die rechtli- chen Konstruktion der Zertifikate – bis heute wird das Image dieses Finanzprodukts vom Kollaps von Lehman Brothers belastet, die Risikowahrnehmung ist nach wie vor durch den Super-GAU bei der US-Investmentbank verzerrt. Derivat statt Aktie Dabei betonen jene Investmentprofis, die heute Zertifikate einsetzen, dass diese hin- sichtlich ihrer Renditen Anleihen schlagen und bezüglich der Risiken eine sinnvolle Alternative zu den derzeit so populären Divi- dendenaktien darstellen. „Im aktuellen Zins- umfeld macht es schon viel aus, ob man eine Miniverzinsung bei Bundesanleihen bekommt oder eine drei- bis vierprozentige Rendite auf bestimmte Zertifikate“, meint Hans Genender, Kundenbetreuer bei PMP Vermögensmanage- ment. „In einer Phase historisch niedriger Zin- sen werden Aktienanlagen häufig aufgrund ihrer attraktiven Dividendenrendite als ,alter- nativlos‘ bezeichnet. Allerdings sind Investo- ren dabei unmittelbar dem Kursrisiko an den Aktienmärkten ausgesetzt“, weist Thomas Wüst, Geschäftsführer der Valorvest Ver- mögensverwaltung, auf die möglicherweise unterschätzten Risiken von Dividendenwer- ten hin. Gefragte Zertifikatetypen Von Finanzprofis in erster Linie eingesetzt werden daher Discount- und Bonuszertifikate sowie Aktienanleihen. Diese erfüllen die For- derungen der Berater nach einer fixen, über- durchschnittlichen Rendite sowie einer Kon- trolle der Risiken. Discountzertifikate bieten einen Rabatt auf den Kurs einer Aktie oder eines Index, Aktienanleihen zahlen hingegen einen festen Kupon. Discount und Kupon schützen in einem gewissen Maß vor Kurs- verlusten (siehe Grafik nächste Seite). Bonus- zertifikate liefern demAnleger hingegen einen fixen Betrag, solange eine bestimmte Barriere während der Laufzeit nicht durchbrochen wird. In seitwärts tendierenden Märkten sind alle drei Zertifikatetypen Aktien und Renten überlegen. Risiko-Ertrags-Profil Anlageprofis wie Thilo Stadler von I.C.M. Independent Capital Management setzen aus diesem Grund auf defensive Discount-Papiere mit großem Sicherheitspolster. „Hierdurch wird in der Regel zwar auch die erzielbare Rendite begrenzt. Es ergibt sich aber ein Ren- dite-Risiko-Profil, das zwischen den risiko- reicheren Aktien und den risikoärmeren fest- verzinslichen Wertpapieren einzuordnen ist“, erklärt er. Dieser Vorteil wird bei Discount- zertifikaten oder Aktienanleihen allerdings mit einem asymmetrischen Renditeprofil erkauft. Nicht wenige Profis lehnen diese Produkte da- her ab. Sie sehen in dem fixierten Ertrag einen gravierenden Nachteil. Liegt die Wertentwick- lung der Aktie über diesem Betrag, verzichten die Zertifikateinhaber auf den Mehrertrag, kommt es beim Basiswert jedoch zu einem Verlust, der Kupon oder Discount übersteigt, partizipieren sie voll. In Bären- oder Bullen- märkten werden die Strukturen zum Verlust- geschäft. „Ein Anleger mit einem solchen Zertifikat wird quasi zur Versicherung für an- Zertifikate wären im Niedrigzinsumfeld eine interessante Anlagealternative. Die meisten Vermögensverwalter verzichten dennoch auf ihren Einsatz. Nachhaltiger Imageschaden Der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 brachte die Finanzwelt an den Rand des Abgrunds, der deutsche Zertifikatemarkt hat sich davon bis heute nicht erholt.

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