FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2015

252 www.fondsprofessionell.de | 3/2015 vertrieb & praxis I nachlassplanung Fotos: © Monkey Business Images | Dreamstime.com, Mainzer Volksbank e.G. E s war am Mittwoch, dem 12. März 2014, als Erika Beringer die Welt nicht mehr verstand. Sie schaute dem Rechtsanwalt ihres kurz zuvor verstorbenen Ehemanns Thomas ungläubig in die Augen und konnte es einfach nicht fassen. Der An- walt hatte soeben das Testament verlesen. Daraus ging eindeutig hervor, was Erika Beringer erben würde: nichts. „Mein Mann und seine erste Frau hatten sich auf ein Ber- liner Testament geeinigt“, sagt die 52-Jährige. Und das wurde ihr zum Verhängnis. Bei einem Berliner Testament setzen sich die Ehe- leute gegenseitig als Alleinerben ein. Gleich- zeitig bestimmen sie eine dritte Person, an die der Nachlass gehen soll, wenn der zweite Ehepartner verstirbt. Als die erste Frau von Unternehmer Thomas Beringer 2003 bei ei- nem Unfall ums Leben kam und er ihr Vermögen erbte, war das Paar schon längst geschieden. Zu diesem Zeitpunkt hätte Berin- ger eine Wiederverheiratungsklausel in das Testament einfügen müssen, um zu verhin- dern, dass seine zweite Frau nach seinem Tod leer ausgehen würde. „Aber das wusste er wohl nicht“, sagt Erika Beringer bitter. So floss das gesamte Erbe an den Sohn ihres Mannes. Mit einem Nachlassplaner wäre das mit Sicherheit nicht passiert. Nachlassplaner, auch Estate Planner ge- nannt, arbeiten an der Schnittstelle zwischen Anlageberater, Steuerfachmann und Rechts- anwalt. Da Estate Planner viel tiefer in die Vermögens- und Familienstrukturen ihrer Kunden eintauchen als irgendein anderer Be- rater, haben sie gute Chancen, später auch als Testamentsvollstrecker eingesetzt zu werden – vor allem aber, sich die Kinder der Kunden von heute zur Klientel von morgen zu ma- chen. Keine schlechte Perspektive angesichts von 62 Milliarden Euro, die dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zu- folge hierzulande jährlich vererbt werden. Kunden legen alles offen Heinz Ripperger hat die Zeichen der Zeit längst erkannt. „Ich war schon lange Jahre in der Vermögensberatung tätig“, sagt der zerti- fizierte Estate Planner, der bei der Mainzer Volksbank Kunden auch in Sachen Vermö- gensnachfolge zur Seite steht. Vor über zehn Jahren, als das Thema „Financial Planning“ bei Banken und Sparkassen aufkam, hatte er überlegt, sich in diese Richtung fortzubilden. „Aber dann wurde mir klar, dass ich als Nach- lassplaner viel tiefer einsteigen kann.“ Der Grund: Kunden sind mit der Zeit oft bereit, fast alles offenzulegen, etwa Vermögenswerte bei anderen Banken, Zukunftspläne und Familienverhältnisse. Ripperger entschied sich für eine Ausbildung zum Estate Planner und erwarb später das Zertifikat „Certified Estate Planner“ (CEP). Inzwischen steht er als fach- licher Leiter an der Spitze eines Teams von 35 sogenannten Generationenberatern. Über den Tod hinaus „Der Einstieg ins eigentliche Estate Plan- ning läuft immer über die Generationenbera- ter“, sagt Ripperger. Sie betrachten gemein- sam mit dem Kunden, wie sein Vermögen strukturiert ist und ob die Anlagen zur Le- benssituation passen. Sie nehmen unter die Lupe, ob ein Kunde für mögliche Risiken wie Langlebigkeit, Krankheit oder Pflege vernünf- tig vorgesorgt hat. Prüfen, ob es für den Fall, dass selbstbestimmte Entscheidungen nicht mehr möglich sind, die richtigen Verfügungen gibt. Zudem überlegen die Generationenbe- rater zusammen mit ihrem Kunden, ob Fami- lienangehörige oder nahestehende Menschen auch gut abgesichert sind, wenn er selbst nicht mehr für sie sorgen kann. „An dieser Stelle geht die Beratung sozu- sagen über den Tod des Kunden hinaus“, er- klärt Ripperger. Nachlassplanung sei nie mit nur einem Gespräch erledigt. Besonders wenn es sich um große und komplexe Vermögen handelt, wenn gar Unternehmen in die nächste Generation wechseln sollen, könne es Mona- te, gar Jahre dauern, bis alles unter Dach und Fach ist. „Vielleicht spricht man zuerst mit dem Fir- menchef, dann mit ihm und seiner Ehefrau und das nächste Mal wieder mit ihm allein“, erklärt Ripperger. Denn möglicherweise stellt der Unternehmer Überlegungen an, von de- nen seine Gattin bis auf Weiteres nichts erfah- Anlageberater, die sich zu Estate Plannern ausbilden lassen, machen die Kinder der Kunden von heute zur Klientel von morgen – und erzielen Zusatzerträge. Partner fürs Leben Nachlassplaner lernen oft die ganze Familie ihrer Kunden kennen. So entsteht mit der Zeit ein Vertrauensverhältnis, das sich bis in die zweite und dritte Generation fortsetzen kann.

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