FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2015

130 www.fondsprofessionell.de | 3/2015 markt & strategie I illiquide rentenmärkte Foto: © Gopixgo | Dreamstime.com D as Unglaubliche geschah am 15. Okto- ber vor einem Jahr: Bondhändler in den USAkonnten den Blick nicht mehr von ihren Bildschirmen lassen. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen stürzte binnen Minuten von 2,2 auf 1,86 Prozent – eine Be- wegung, die Experten für den sonst so liqui- den Markt der US-Treasuries bis dahin als höchst unwahrscheinlich angesehen hatten. Dabei war der Auslöser für den Crash kei- neswegs spektakulär. Die US-Konjunktur- daten waren schwächer ausgefallen als erwartet. Das sorgte für Nervosität an den Aktienmärkten, Investoren wollten in Staatsanleihen flüchten – und fanden keine Verkäufer. Minutenlang stand der Handel still, der riesige Markt für US-Staatsanlei- hen schien ausgetrocknet. Eine gespensti- sche Situation, die Erinnerungen an die Zeit nach der Pleite der US-Investment- bank Lehman Brothers wachrief, als an den Märkten gar nichts mehr ging. „Ein solches Szenario kann sich wieder- holen“, sagt Jörn Wasmund, globaler Co- Chef für Renten bei der Deutschen Asset &Wealth Management (Deutsche AWM). Auch für den europäischen Anleihenmarkt sei dies nicht ausgeschlossen. Denn bei Euro- Rentenpapieren ist eine beunruhigende Vola- tilität zu erkennen. „In Deutschland etwa se- hen wir bei der zehnjährigen Bundesanleihe große Preissprünge, die sehr ungewöhnlich sind“, erklärt der Experte. Dazu kommt, dass sich die Geld-Brief-Spreads, also die Spannen zwischen An- und Verkaufskursen, in Zeiten von Stress immer mehr ausweiten, sowohl für Unternehmens- als auch für Staatsanleihen. Größere Spreads, ungewöhnliche Preis- sprünge und hohe Volatilität: All diese Fakto- ren weisen darauf hin, dass sich Anleihen- investoren auf austrocknende Märkte ein- stellen müssen. Und das gilt nicht nur für ein- zelne Segmente, sondern für den gesamten Rentenbereich. Hinter der Auszehrung im Segment der gedeckten Anleihen (Covered Bonds) und Staatspapiere stecken allerdings andere Mechanismen als hinter dem zuneh- mend illiquiden Markt für Firmenanleihen. Regulierung birgt Risiken „Das Niedrigzinsniveau hat dafür gesorgt, dass sich die Rentenmärkte aufgebläht ha- ben“, erklärt Jim Cielinski, Leiter des globalen Anleihengeschäfts bei Columbia Thread- needle Investments. Im Segment der Unter- nehmensanleihen habe sich der Markt welt- weit verdoppelt. Allein in den USA ist das Vo- lumen seit 2008 von 2,75 Billionen auf heute 4,4 Billionen US-Dollar gestiegen. Gleich- zeitig haben die Erfahrungen aus der Krise zu einer stärkeren Regulierung des Bankensek- tors geführt. So schränkt in den USA die nach dem ehemaligen US-Notenbankchef Paul Volcker benannte „Volcker Rule“ den Eigen- handel von Banken stark ein. In Europa sind es die verschärften Eigenkapital- und Liqui- ditätsvorschriften nach Basel III, die es für Geldinstitute teurer machen, große Anleihen- positionen auf die eigenen Bücher zu nehmen. „Man darf auch die Versicherer nicht verges- sen“, sagt Wasmund. Auch für diese wird es durch Solvency II weniger attraktiv, bestimmte Anleihen zu halten. Aufgrund der neuen Regulierungsvor- schriften haben die Banken, die früher als große Market Maker auch in turbulenten Zeiten stets Kurse stellten, ihre Bestände an Unternehmensanleihen stark reduziert. Dies kommt in Zeiten hoher Unsicherheit zum Tragen. „Sichere Staatspapiere neh- men sie zwar noch auf“, sagt Wasmund. Für Unternehmensanleihen, erst recht für Hochzinspapiere, fehlen sie in solchen Perioden aber als Käufer. Da das niedrige Zinsniveau zudem die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen gegenüber sicheren Staatspapieren verringert hat, Der Rückzug der Banken vom Anleihenhandel und die Bondkäufe der Notenbanken lassen die Rentenmärkte austrocknen. Steigen die Zinsen, wird es gefährlich. Vor der großen Dürre Auf dem Trockenen: Die Situation an den Rentenmärkten im Euroraum und in den USA ist noch nicht so dramatisch wie die Katastrophe des Aralsees. In Stressphasen könnte sich dies aber schnell ändern. Market Maker auf dem Rückzug Volumen der in den USA gehaltenen US-Unternehmens- und Auslandsanleihen Quelle: US Federal Reserve, BIS, Economist 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0 ’02 2004 2006 2008 2010 2012 2014 Billionen USD Bond-Broker und -Händler Investmentfonds

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=