FONDS professionell Österreich, Ausgabe 3/2015

220 www.fondsprofessionell.at | 3/2015 steuer & recht I ur teil Foto: © Niroworld | Dreamstime.com D ie Verjährung ist ein sinnvolles juristi- sches Prinzip, das schon das römische Recht kannte. Wer einmal eine Leis- tung erbracht hat, soll nicht für den Rest sei- nes Lebens damit rechnen müssen, mit An- sprüchen – welcher Art auch immer – kon- frontiert zu werden. Wer Leistung bezogen hat, soll möglichst rasch feststellen, ob diese wunschgemäß erbracht wurden, nicht zuletzt weil die Beweis- führung und -prüfung mit zu- nehmendem zeitlichemAbstand schwieriger wird. Finanzbera- tung stellt in diesem Kontext ein schwieriges Thema dar, weil es hier oft um langjährige Verträge geht und Fehler bezie- hungsweise vermeintliche Feh- ler oft erst Jahre nach Abschluss des Geschäfts erkennbar wer- den. Grundsätzlich ist es daher hier so, dass die Verjährungs- frist drei Jahre läuft – nicht nach demAbschluss, sondern ab Bekanntwerden eines Schadens. Bisher konnten sich Finanzdienstleister auf diese Frist verlassen; das könnte nun aller- dings vorbei sein, denn das Oberlandesgericht Wien hat in einem Rechtsstreit zwischen An- legern eines Schiffsfonds und einer Bank ein brisantes Urteil gefällt. Es ging um die Frage, ob die Ansprüche der Anleger gegen die be- klagte Bank verjährt sind. Das OLG Wien schlug sich auf die Seite der Investoren. Enttäuschende Fondsentwicklung Der Hintergrund: Die Anleger hatten sich 2006 an einem geschlossenen Schiffsflotten- fonds beteiligt, der sich im Anschluss nicht wunschgemäß entwickelte. Bereits 2009 musste eines der Fondsschiffe Insolvenz an- melden. Der Fonds leistete ab seit 2009 keine Ausschüttungen mehr, und der Fondsinitiator wies immer eindeutig auf die Schieflage des Investments und auf die Risiken im weiteren Verlauf hin. Ab 2010 mussten weitere Schiffe mit Investorenbeiträgen vor der Insolvenz gerettet werden. Dennoch reichten die Anleger erst 2014 Klage gegen die Bank ein, bei der sie die Fondsbeteiligung gezeichnet hatten. Sie be- haupteten, dass sie vom Bankberater nicht über Risiken, Vertriebsprovision und die Ge- fahr, dass Auszahlungen des Fonds unter Um- ständen retourniert werden müsen, aufgeklärt wurden. Außerdem hätten sie den Kapital- marktprospekt zu dem Fonds nicht erhalten. Weil Schadensersatzansprüche aus falscher Beratung nach drei Jahren ab Kenntnis des Schadens verjähren, erklärten die Anleger, die Falschberatung erst 2013 – sieben Jahre nach der Investition und vier Jahre nach der ersten Pleite im Fondsportfolio – bemerkt zu haben. Erste Instanz gibt Bank recht Um die Verjährung zu umschiffen, splitte- ten die Kläger die Beratungsfehler überdies auf. Ihrer Ansicht nach war der fehlende Hinweise auf die Gefahr einer Rückzahlung von Ausschüttungen isoliert zu betrachten. Das Landesgericht Korneuburg, das in erster Instanz mit dem FAll befasst war, sah das anders und stellte fest, dass Beratungsfehler nicht voneinander abgegrenzt werden können und daher auch nicht gesondert verjähren. Dagegen gingen die Anleger beim OLG Wien in Berufung (Az. 1 R 43/15y, Entscheidung vom 29. 5. 2015). Das OLGWien stellte zunächst grundsätz- lich fest, dass auf eine Rückforderbarkeit der Ausschüttungen hingeweisen werden muss. Die strittige Verjährungsfrage entschied das Gericht wie folgt: „Richtiger Ansicht nach ist die Verjährung jedes einzeln behaupteten schadensauslösenden Beratungsfehlers geson- dert zu prüfen.“ Dabei verweist das OLG auch auf Entscheidungen des deutschen Bun- desgerichtshofs. Der hatte entschieden, dass einzelne Handlungen nicht vereinheitlicht und in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden dürfen, wenn eine einzelne Handlung eigene Schadensfolgen haben kann. In diesem Fall sind Einzel- handlungen verjährungsrechtlich gesondert zu betrachten. Keine Erkundigungspflicht Das OLG Wien entschied, dass die Investoren trotz der Krisen- kommunikation des Fondsinitiators keine weitere Erkundigungspflicht hatten. Selbst die Kenntnis eines Schadens durch die Schiffsinsol- venz und eines möglichen An- spruchs gegen die Bank löst dem- nach nicht zwingend eine Erkundi- gungpflicht aus. „Der Wissensstand der Kläger im Jahr 2009 legte keine Schlüsse darauf nahe, dass die Anlage in Bezug auf die rechtliche Qualität ihrer Haftung und insbe- sondere der Ausschüttungen von ihren Vor- stellungen abwich“, heißt es in dem Urteil. Weder die Einladung zum Kapitalnachschuss noch die Mitteilung der Schiffsinsolvenz hät- ten diesbezüglich Klarheit geschaffen. Der Kapitalmarktprospekt verweist ebenso wie auch der deutsche Fondsprospekt eindeu- tig auf diese und andere Haftungsrisiken – und die Marketingunterlagen verweisen ein- deutig auf den Kapitalmarktprospekt. Ob die Anleger den Prospekt eingefordert haben, ist nicht bekannt. Brisant: 2009 oder 2010 gab es ein Gespräch der Anleger mit den Bankbera- tern über die Situation des Fonds, wobei ein „einigermaßen exakter Gesprächsverlauf nicht feststellbar war“ . Das lässt es zwar äußerst unwahrscheinlich erscheinen, dass die Investoren wirklich nicht über die prekäre Lage des Fonds aufgeklärt wurden, beweisen kann die Bank das aber nicht, was sie nun teuer zu stehen kommt. ALEXANDER ENDLWEBER | FP Sechs Jahre, nachdem die Schieflage eines erfolglosen Schiffsfonds bekannt wurde, klagte ein Anleger seine Bank wegen Falschberatung und bekam recht. Hammer-Urteil zur Verjährung Ein OLG-Urteil verschlechtert die Situation von Finanzdienstleistern in der Frage der Anspruchsverjährung.

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