Schroders-Chefstratege: Diese Trends bestimmen die Kapitalmärkte
Huw van Steenis, Global Head of Strategy bei Schroders, berichtet von seinen wichtigsten Eindrücken vom Weltwirtschaftsforum 2017 in Davos und zieht Parallelen zur aktuellen Situation an den globalen Märkten.


Die Bedrohung von Arbeitsplätzen durch Automatisierung nimmt drastisch zu. Laut McKinsey sind 1,1 Milliarden Jobs und 15,8 Billionen US-Dollar an Löhnen und Gehältern Aktivitäten zuzuordnen, die heute aus technischer Sicht automatisierbar sind. Das betrifft auch die Finanzwirtschaft: Hier beginnen Banker und Versicherungschefs auf das niedrige Wachstum und die niedrigen Renditen zu reagieren und entwerfen konkrete Pläne zur Effizienzsteigerung. Regulatorische Technologie könnte alleine im Compliance-Bereich 50.000 Jobs auslöschen.

Die Auswirkungen des Populismus werden in den kommenden Jahren zu den wichtigsten Markttreibern zählen. Van Steenis geht davon aus, dass Investments in westlichen Ländern zunehmend größere Ähnlichkeit zu Investments in Schwellenländern entwickeln werden. Dort ist ein genaues Verständnis des betreffenden Landesrisikos und der politischen Ökonomie unabdingbar. Schwellenländer lehren auch, dass Populismus oft inflationär ist. Die Gefahr von "Wie-du-mir-so-ich-dir"-Streitigkeiten beschäftigte viele Politiker. Zudem erhärtet sich der Eindruck, dass einige Länder die Errichtung finanzieller Mauern sogar fördern. Hier gibt es zwei Gesichter der Medaille: Einerseits kann eine stärkere Abschottung im Bankensystem dazu beitragen, Schocks abzufedern. Andererseits hat sie vermutlich negative Auswirkungen auf das Wachstum, sofern die einzelnen Märkte die Lücke nicht schließen können.

Nach Meinung von van Steenis sollten die Korrelationen zwischen Anlageklassen infolge der Einschränkung der quantitativen Lockerungspolitik durch die Zentralbanken dramatisch fallen. Eine größere Divergenz von Vermögenswerten, Sektoren und Wertpapier-Performance könnte sich für scharfsinnige Anleger als positiv erweisen. Im nächsten Schritt sollten sie unbedingt über die Vermögenswerte nachdenken, deren Kurse von der quantitativen Lockerungspolitik nach oben gehievt wurden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Zinsen mit steigender Inflation schneller steigen als angenommen. Während sich die Märkte an moderat handelnde Zentralbanken und "länger niedrigere Zinsen" gewöhnt haben, ist der Ausstieg aus dem außergewöhnlichen Finanzexperiment alles andere als klar und voraussichtlich mit viel stärkeren Neubewertungen und Rotationen verbunden als bisher gedacht. Die Fiskalpolitik in der Eurozone befindet sich weitgehend im Tiefschlaf, und sie reicht trotz verringerter Belastung durch die Geldpolitik nicht aus, um Strukturprobleme zu lösen. Kapitalgeber vermuten daher, dass die EZB weiterhin eine moderate Politik betreiben und ihre quantitative Lockerungspolitik schrittweise zurückfahren wird. Demzufolge könnten uns die Negativzinsen bis 2019 erhalten bleiben.

Die allgemeine Unsicherheit bewirkt, dass geschäftliche Entscheidungen kurzfristiger ausgerichtet sind. So schütteten S&P-500-Unternehmen in fünf der sechs letzten Quartale Dividenden aus und führten Aktienrückkäufe durch, anstatt die Investitionen signifikant zu erhöhen. Anleger äußerten sich eher besorgt darüber, dass die Zinsen infolge der sich erholenden Weltwirtschaft und einer steigenden Inflation viel stärker angepasst werden könnten als erwartet. Aus diesem Grund wollten sie – in der Hoffnung auf höhere Renditen – noch abwarten. Ein durchweg positiver Ausblick hingegen kommt von Unternehmen, die sich auf längerfristige Themen – insbesondere Technologie und Gesundheit – konzentrieren und einen stärkeren Fokus auf die sozialen Auswirkungen von Investitionen legen.

Um fehlerhafte Entscheidungen – ob aus Investitions- oder makroökonomischer Sicht – zu vermeiden, plädieren immer mehr Stimmen dazfür, eine breite Palette an neuen Datenerkenntnissen heranzuziehen. Der Konsens lautet: Aus Daten gewonnene Erkenntnisse zur Lösung von Anlageproblemen zu verwenden, ist entscheidend für die Erhaltung eines Anlagevorsprungs. Kein Mensch kann eine Maschine schlagen, aber keine Maschine kann einen Menschen mit einer Maschine schlagen. Ein Beispiel für fehlerhafte Entscheidungen aus jüngster Vergangenheit ist das Verhalten der Zentralbanken. Dass sie mehrfach falsch gehandelt haben, darüber war sich die Mehrheit der Teilnehmer in Davos einig. Einer der Fehler war, dass sie von einer reibungslosen Wirtschaft ohne nach beiden Seiten ausschlagenden Kreditexzessen ausgingen und zudem Banken und finanzielle Multiplikatoren ignorierten. Ihre Modelle waren Schönwettermodelle. Als die Krise begann, boten sie keinen nützlichen Rahmen, auf den man sich hätte stützen können, sodass auf die Finanzgeschichte zurückgegriffen werden musste. Obwohl einige Fortschritte erzielt wurden, denkt van Steenis, dass einer der größten politischen Fehler des Jahres 2016 die Negativzinsen waren – ein Signal, dass noch viel zu tun ist.
Uneinheitlichkeit – dieses Wort beschreibt die Stimmung beim Treffen der wichtigsten internationalen Wirtschaftsvertreter wohl am ehesten. Während sich amerikanische Teilnehmer optimistisch zeigten, äußerten sich europäische Vertreter verhalten pessimistisch – ein Spiegelbild der aktuellen Stimmung an den globalen Märkten. Vorherrschend waren Themen rund um die enormen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die durch Populismus, Globalisierung, umwälzende Technologien, Migrationskrise und Ungleichheit entstehen.
Huw van Steenis, Global Head of Strategy bei Schroders und Mitglied der Gruppe "Disruptive Innovation in Financial Services" des Weltwirtschaftsforums, leitet fünf wesentliche Trends ab, die zurzeit die Märkte bestimmen – klicken Sie sich durch unsere Fotostrecke oben. (mb)