Das sind die zehn Top-Favoriten für die Draghi-Nachfolge
Das Rennen um den Job des künftigen Präsidenten der Europäischen Zentralbank hat längst begonnen. Bloomberg hat sich unter Ökonomen umgehört, welche Kandidaten die größten Chancen auf den wichtigsten Banker-Job der Währungsunion haben.


Estlands Notenbankchef arbeitete viele Jahre als Ökonom bei der Weltbank mit dem Schwerpunkt Osteuropa. Er gehört geldpolitisch eher zum Lager der Befürworter einer strafferen Ausrichtung. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1992 hat Hansson als ökonomischer Berater maßgeblich an der Einführung einer neuen Währung in seiner Heimat mitgewirkt. Ein Argument für den 60-Jährigen könnte sein, dass Estland bei der EZB bis dato noch keine führende Position innehatte. Gegen ihn spricht jedoch, dass die Finanzbranche des Landes kaum Gewicht im Euroraum hat.
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Lagarde hat das stärkste Profil unter den Anwärtern und es schon mehrfach geschafft, gläserne Decken zu durchbrechen. 2007 wurde sie als erste Frau Finanzministerin Frankreichs und 2011 die erste Chefin des IWF. Die EZB hat die Regierungen aufgefordert, mehr Frauen für ihre Entscheidungsgremien zu benennen. Ihre Zeit als Finanzministerin machte ihr 2016 zu schaffen, als sie wegen Nachlässigkeit im Umgang mit einem mehrere Millionen Euro schweren Disput verurteilt, aber nicht bestraft wurde.
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Regling verbrachte ein Jahrzehnt im deutschen Finanzministerium, wo er bei der Vorbereitung der Wirtschafts- und Währungsunion half. Er gilt als einer der Architekten des Euro. In seiner jetzigen Position als geschäftsführender Direktor des Euro-Rettungsschirms EFSF hat der 67-Jährige einen genauen Einblick in die existenziellen Probleme des Euroraums. Regling bekleidete verschiedene Positionen im öffentlichen und privaten Sektor in Europa, Asien und den USA inne, unter anderem beim IWF und der Europäischen Kommission.
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Der 51-jährige Chef der niederländischen Zentralbank ist eines der jüngsten Mitglieder des EZB-Rates. Er steht typischerweise auf der gleichen Seite wie Jens Weidmann zum Thema monetäre Anreize und spricht sich für ein absehbares Ende der Anleihenkäufe aus. Er wurde Ende Mai für sieben Jahre wiederbestellt. Politisch gegen ihn spricht der Umstand, dass die Niederlande mit Wim Duisenberg bereits die EZB-Präsidentschaft (1998 bis 2003) innehatte.
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Wenn die EZB ihren nächsten Präsidenten aussuchen könnte, würde die Wahl auf Coeuré fallen, wie mehrere Notenbankvertreter des Euroraums gegenüber Bloomberg sagten. Das zeigt den Respekt, den das 49-jährige Direktoriumsmitglied nach fast sieben Jahren neben Draghi im Kampf gegen Euro-Krisen unter seinen Kollegen genießt. Jedoch wird die Entscheidung von den Euroraum-Staats- und Regierungschefs getroffen.
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Rehn gehört zwar zu den neuen Gesichtern im europäischen Zentralbankwesen, ist aber seit Jahren in der Wirtschaft tätig. Als EU-Kommissar für den Euro war er während der Schuldenkrise ein entschiedener Verfechter der Staatsschuldendisziplin, bevor er 2015 als Wirtschaftsminister in die finnische Politik zurückkehrte und das Comeback seines Landes aus einer dreijährigen Rezession überwachte. Vor kurzem übernahm er das Amt des Gouverneurs der finnischen Zentralbank, nachdem Erkki Liikanen im Juli zurückgetreten war.
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Weidmann wurde 2011 jüngster Präsident in der Geschichte der Bundesbank, nachdem sein Vorgänger aus Protest gegen die EZB-Anleihenkäufe zurückgetreten war. Jetzt, mit 50 Jahren, hat er sich gegen die lockere Geldpolitik durchgesetzt, wofür ihm in Deutschland zwar Respekt gezollt wurde, er im Gegenzug allerdings auch Kritik von Mario Draghi wegen seiner "Nein zu allem"-Einstellung einstecken musste. Das könnte sich als unüberwindbares Hindernis herausstellen, wenn andere Nationen befürchten, er würde zu schnell den Geldhahn zudrehen. Für ihn spricht, dass Deutschland nie die Präsidentschaft innehatte, obwohl es die größte Volkswirtschaft Europas ist. Noch im Frühjahr glaubte die große Mehrheit der befragten Ökonomen, dass Weidmann die besten Chancen auf die Draghi-Nachfolge habe. Nachdem aber Bundeskanzlerin Angela Merkel keinerlei Unterstützung signalisiert, sind seine Chancen drastisch gesunken.
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Irland ist das einzige Gründungsmitglied des Euroraums, das noch nie über einen Sitz im EZB-Rat verfügte – das erteilt seinem Zentralbankpräsidenten eine gewisse Rechtfertigung für eine der vier Positionen, die in den nächsten zwei Jahren zu besetzen sind. Der 49-jährige Wirtschaftsprofessor am Dubliner Trinity College, der an der Harvard University promoviert hat, war in letzter Zeit mit seiner Arbeitsgruppe maßgeblich an einem Entwurf beteiligt, der ein sicheres europäisches Vermögen zum Schutz vor Staatsschuldenkrisen aufbauen soll.
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Villeroy ist ein Produkt der französischen Kaderschmieden, er hat die École Polytechnique und École Nationale d'Administration abgeschlossen. Das führte den nun 59-Jährigen zu einer Karriere im öffentlichen Dienst über hochrangige Stellen im Schatz- und Finanzministerium – mit einer Phase als Kabinettschef unter Dominique Strauss-Kahn – bevor er 2003 in die Privatwirtschaft ging und bei der Großbank BNP Paribas eine Führungsrolle übernahm. Villeroy steht seit 2015 an der Spitze der französischen Notenbank, was ihm einen Sitz im EZB-Rat einbringt. Er hat sich eng an die Draghi-Linie bezüglich der Stimulus-Maßnahmen gehalten und auf einen pragmatischen statt einem ideologischen Ansatz bestanden.
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Liikanen befand sich schon einmal in einer ähnlichen Position, als sein Name 2011 als Option für die EZB-Spitze genannt wurde. Wenn er den Job bekommt, wäre er bei Amtsantritt 69 Jahre – älter als jeder der vorherigen drei Präsidenten. Er bringt auch fast ein halbes Jahrhundert Erfahrung in seiner Karriere mit, die ihn von der finnischen Politik in die europäischen Korridore der Macht in Brüssel und in die finnische Zentralbank führte. Dank letzterem Posten sitzt er im EZB-Rat von 2004 bis zum Ende seiner Amtszeit im Juli dieses Jahres.
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Ein Nachfolger für EZB-Chef Mario Draghi muss zwar erst in einem Jahr feststehen, doch hinter den Kulissen hat der Kampf um die Besetzung diesen wichtigen Postens längst begonnen. In den kommenden Monaten müssen sich die 19 Euro-Staaten zu einer Entscheidung durchringen, wer die Währungsunion aus der langen Phase der lockeren Geldpolitik herausführen soll.
Bloomberg hat sich deshalb in diesem Jahr in regelmäßigen Abständen (Februar, Juni und August) unter Ökonomen umgehört, welche Kandidaten ihrer Ansicht nach die Draghi-Nachfolge am wahrscheinlichsten antreten werden. Daraus wurden mittels eines komplizierten Bewertungssystems mit maximal 100 Punkten die Favoriten ermittelt – das aktuelle Zwischenergebnis finden Sie in unserer Fotostrecke oben. (mb)