FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2018

90 www.fondsprofessionell.at | 1/2018 markt & strategie I inflation Foto: © beeboys | stock.adobe.com, Stephan Huger A ngesichts der Entwicklung der letzten Jahre erinnert man sich schon fast nicht mehr daran, aber die ursprüngliche Hauptaufgabe der Notenbanken besteht darin, den Wert des Geldes zu schützen. In der Pra- xis bedeutet dies, dass die Preise von Waren und Dienstleistungen stabil bleiben müssen. Steigen sie zu stark, spricht man von Inflation, sinken sie hingegen, hat man es mit Deflation zu tun. Beides gilt volkswirt- schaftlich als unerwünscht und wird durch die jeweils als ge- eignet erachteten Maßnahmen der Notenbank zu verhindern versucht. Um hier steuernd eingreifen zu können, muss die jeweilige Entwicklung beobachtet und verstanden werden. Und genau damit hatten die Notenbanken in den letzten Jahren durchaus Probleme. Vor allem das scheinbare Nichtfunktionieren der „Phillips-Kurve“ bereitete den Währungshütern Kopf- zerbrechen. 1958 erstellte der britisch-australische Öko- nom Alban W. Phillips eine inzwischen be- rühmte Statistik. Darin belegte er anhand von Zahlen für Großbritannien einen Zusammen- hang zwischen Lohnänderung und Arbeits- losenquoten: Je höher die Arbeitslosigkeit, desto geringer die Lohnsteigerungen. Und umgekehrt: Je mehr Leute Jobs haben, umso stärker steigen die Löhne, weil Arbeitnehmer bei knappemArbeitskräfteangebot mehr Ver- handlungsmacht haben. Phillips selbst be- zeichnete seine statistischen Belege als unbe- deutende „Wochenendspielerei“. Seine Idee wurde jedoch von anderen Forschern aufge- griffen und weiterentwickelt, und schon 1960 präsentierte man die modifizierte Phillips- Kurve. In ihr wurde die Lohnsteigerungsrate durch die Inflationsrate ersetzt, weil man un- terstellte, dass Unternehmen Lohnerhöhungen in Form höherer Preise an den Markt weiter- geben. Die Politik interpretierte die Theorie rasch um und gelangte zu dem Schluss, dass sie mithilfe höherer Inflationsraten den Arbeitsmarkt beleben könne. Berühmt wurden in diesem Zusammenhang die Worte des ehe- maligen deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, der meinte: „Lieber fünf Prozent Inflation als fünf Prozent Arbeitslosigkeit.“ Schon in den 1970er-Jahren zeigte sich dann, dass eine hohe Inflation nicht automatisch die Arbeitslosenrate senkt, in der Stagflation hat man beides: hohe Inflation und hohe Arbeits- losenzahlen. Spätestens da war das Phil- lips’sche Modell in der öffentlichen Wahrneh- mung angezählt. Auch die EZB mag die Kurve Für die Notenbanken blieb die Phillips- Kurve hingegen weiterhin ein Instrument zur Einschätzung der Lage. Ex-Fed-Chefin Janet Yellen verteidigte die Kurve ebenso wie die EZB, die 2017 in einer Studie zum Ergebnis kam, das Modell helfe, „die Inflationsdynamik zu verste- hen“. Die Notenbanker gehen nach wie vor davon aus, dass es wechselseitige Einflüsse von Inflation und Arbeitslosigkeit gibt. 2017 argumentierte Fed- Chefin Yellen Zinserhöhungs- pläne so: „Wir glauben weiter- hin, dass in einem (...) Arbeits- markt, der an Kraft gewinnt, die Bedingungen für steigende Inflation gegeben sind.“ Ähn- lich argumentierte der New Yorker Fed-Chef William Dudley: „(...) wenn sich der Arbeitsmarkt weiter einengt, Die Sorge vor einer überraschenden Rückkehr der Inflation beschäftigt derzeit die Märkte. Vor allem die Notenbanken stehen unter Druck, richtig zu agieren. Schlummernde Gefahr ? Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, doch die Löhne steigen nicht – oder noch nicht. Gemäß der altgedienten Phillips-Kurve könnte die Inflation bald stärker ausbrechen, als uns lieb ist. Doch das derzeit heißdiskutierte Modell hat seine Tücken. Von der Kurve zum Verwirrspiel Die Phillips-Kurve für die USA damals und heute In den 1960er-Jahren konnte man darauf vertrauen: höhere Inflation, weniger Arbeitslosigkeit. So einfach funktioniert das heute nicht mehr. Quelle: Financial Times 2 % 10 % US-Arbeitslosenrate Inflation Verbraucherpreise USA 8 % 6 % 4 % -1 % 0 % 1 % 2 % 3 % 4 % 5 % Phillips-Kurve 1960 2 % 10 % US-Arbeitslosenrate Inflation Verbraucherpreise USA 8 % 6 % 4 % -1 % 0 % 1 % 2 % 3 % 4 % 5 % Phillips-Kurve 2007–2016

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