FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2018

78 www.fondsprofessionell.at | 1/2018 markt & strategie I nachhaltigkeit Foto: © kanachaifoto | stock.adobe.com W er sein Geld nachhaltig anlegen wollte, galt früher als Exot. Öko- und Ethikfonds – das klang nach Vollkornmüsli, selbst gestrickten Socken und Selbstversorgergarten. In den Vorstandsetagen der Industrie galt der Nachhaltigkeitsbericht bestenfalls als Feigenblatt, und die klassische Finanzbranche hatte für das Thema höchstens ein müdes Lächeln übrig. Doch das hat sich gründlich geändert. „Als ich Ende der 1990er-Jahre bei Unter- nehmensbesuchen in Gesprächen mit dem Management Fragen zur Nachhaltigkeit stell- te, erntete ich nur großes Schweigen“, erinnert sich Rob Hardy, Head of Corporate Gover- nance bei J.P. Morgan Asset Management in London. „Inzwischen erwartet jeder Vorstand solche Fragen. Das zeigt, welche Akzeptanz das Thema inzwischen gewonnen hat.“ Wie groß die Resonanz ist, verdeutlicht auch ein Blick auf neue Fonds, die Nachhal- tigkeitskriterien berücksichtigen. Allein seit Jahresbeginn brachten unter anderem Union Investment, Invesco, Jyske Capital und Syco- more entsprechende Produkte auf den deut- schen Markt. Dabei stoßen die Asset Manager in immer neue Nischen vor. First State bei- spielsweise hat einen Fonds lanciert, der in börsennotierte Infrastrukturunternehmen in- vestiert – „mit dem Selektionsschwerpunkt Nachhaltigkeit“, wie es in der Pressemeldung heißt. Von Union Bancaire Privée kommt ein neuer Fonds, der auf Anleihen nachhaltig wirtschaftender Unternehmen aus Schwellen- ländern setzt. Und Lombard Odier kündigt eine „globale Long-Short-Aktienstrategie mit Fokus auf Nachhaltigkeit“ an. Auch bestehende Portfolios werden neu ausgerichtet. Das fast 2,4 Milliarden Euro schwere DWS-Rentenfonds-Flaggschiff Deut- sche Invest Euro Bonds (Short) berücksichtigt seit Januar ESG-Kriterien – und trägt diese drei Buchstaben, die für „Environmental“, „Social“ und „Governance“ stehen, seither auch im Namen. Robeco meldet, künftig generell nicht mehr in Unternehmen der Tabakindustrie zu investieren. Und die Erste Asset Management aus Wien rechnet vor, dass der durchschnittliche CO 2 -Fußabdruck ihrer Aktienfonds fast 40 Prozent kleiner ist als der eines globalen Aktienindex. Das alles zeigt: Die Branche ist in Bewe- gung. FONDS professionell hat sich umge- hört und dabei drei Trends identifiziert. Die Asset Manager haben erstens verstanden, dass es Sinn ergibt, ESG-Kriterien in ihre Invest- mentprozesse zu integrieren. Sie haben zwei- tens erkannt, dass sie mit den Milliarden, mit denen sie hantieren, etwas zum Positiven be- wegen können – für die Umwelt, die Arbeit- nehmer, aber auch für ihre Rendite. Und sie merken drittens, dass nachhaltige Geldanlage nicht mehr nur bei institutionellen Investoren und Gutmenschen gefragt ist, sondern lang- sam in der Breite der Anleger ankommt. Dazu kommt der politische Rückenwind, den es auszunutzen gilt: Die EU-Kommission stellte Anfang März einen „Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen“ vor – es gilt also, den Zug nicht zu verpassen. Weg von der Produktebene „In der Finanzkrise war das Verständnis verloren gegangen, wofür die Asset-Manage- ment-Industrie eigentlich steht“, sagt Laurent Ramsey, der Asset-Management-Chef der Schweizer Privatbank Pictet. „Unsere Aufga- be ist es, das Geld unserer Kunden langfristig zu investieren – für ihre Altersvorsorge. Mit diesem Geld wird die Realwirtschaft finan- ziert. Dass wir diese Aufgabe verantwortungs- voll angehen müssen, ist eine Selbstverständ- lichkeit.“ Darum gelte es, darauf zu achten, wie ein Unternehmen, in das Pictet AM inves- tiert, mit der Umwelt, mit seinen Kunden und Mitarbeitern umgeht. „Wir üben unsere Stimmrechte in diesem Sinne aus und disku- tieren kritische Aspekte – und das über alle Fonds hinweg“, sagt Ramsey. Früher habe Nachhaltigkeit nur auf Pro- duktebene stattgefunden. „Doch das ändert sich gerade. Bis Ende des Jahres werden wir Das Thema Nachhaltigkeit verlässt die Nische: Asset Manager integrieren ESG- Kriterien in zahlreiche Investmentprozesse – und entdecken ihre Verantwortung. Selbstverständlich grün Aus einem Spross wird ein Pflänzchen – und irgendwann ein Baum. Vor einigen Jahren waren Öko- und Ethikfonds noch was für Liebhaber. In nicht allzu ferner Zukunft könnte quasi jeder Fonds Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen. » In der Finanzkrise war das Verständnis verloren gegangen, wofür die Asset-Management- Industrie eigentlich steht. « Laurent Ramsey, Pictet AM

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=