FONDS professionell Österreich, Ausgabe 1/2018

168 www.fondsprofessionell.at | 1/2018 vertrieb & praxis I pools Foto: © stock.adobe.com | usu79, Clemens Schüßler, Alfred Arzt, Marlene Fröhlich D ass nichts so heiß gegessen wird wie gekocht, ist zwar eine alte Binsenweis- heit, in vielen Fällen spendet sie aber nur wenig Trost. Vor allem neuen Gesetzen, die ganz grundlegende Änderungen erwarten lassen, blickt daher niemand entspannt entge- gen. Aus diesem Grund war auch die Sorge heimischer Finanzvertriebe im Vorfeld der Einführung der EU-Richtlinie Mifid II durch- aus groß, dass sie spürbare Auswirkungen auf den Geschäftsverlauf haben könnten – und zwar keine positiven. Gut zwei Monate später zeigt ein Rundruf unter führenden Vertrieben und Fondsplattformen, dass die angekündigte Katastrophe wohl ausgeblieben ist. Das Wert- papiergeschäft hat dem Vernehmen nach seit Jahresbeginn trotz der massiven Umstellungen im Beratungsprozess nicht gelitten. Markus Harrer, stellvertretender Bereichsleiter bei der Plattform der Capital Bank, berichtet: „Nach- dem der Absatz im Dezember außergewöhn- lich hoch war, gingen wir davon aus, dass viele Berater noch Geschäft vor Einführung von Mifid II machen wollten. Der Jahresstart verlief dann allerdings doch besser als erwar- tet. Obwohl der Aufwand für die Berater gestiegen ist und viele noch verunsichert sind, haben wir amAnfang des Jahres ähnlich viel Umsatz wie im Vorjahreszeitraum gesehen.“ Und auch beim in Wien ansässigen Pool Fi- nanzadmin war die Umsetzung der EU-Wert- papierrichtlinie kein Hindernis für Neuge- schäft. So zeigt ein Vergleich der Umsatz- zahlen von Jänner 2018 mit Jänner 2017, dass sich beim Haftungsdach, der deutschen Mut- tergesellschaft Fondskonzept, das Neugeschäft gemessen am administrierten Bestandsvolu- men mit 120 Prozent sogar mehr als verdop- pelt hat. Die deutliche Steigerung ist natürlich auch dem sichtbaren Zuwachs an Beratern geschuldet: Hatte das Haftungsdach Ende 2016 noch 228, so sind es jetzt 270 direkt an- gebundene Vertriebspartner. Michael Veit, Geschäftsführer von Finanzadmin, sieht im Bestandszuwachs aber auch die Strategie des Haftungsdachs bestätigt, schon früh auf die Weiterentwicklung im Bereich der IT zu set- zen. „Der Bestandszuwachs zeigt, dass unsere Strategie, mehr Bürokratie vonseiten des Ge- setzgebers mit ausgefeilter Technik und guter Vorbereitung der Partner aufzufangen, aufge- gangen ist. Ein Haftungsdach kann in diesen Bereichen seine Stärken wirkungsvoll aus- spielen.“ Auch wenn die Einführung von Mifid II das Neugeschäft nicht wie befürchtet zum Erliegen kommen ließ, so zeigt sich doch, dass es für Vertriebe ohne dementspre- chende digitale Lösungen, die in Zeiten von Mifid II eine reibungslose Abwicklung er- möglichen, immer schwieriger wird. Diese Ansicht teilt auch der Geschäftsführer des Fachverbands der Finanzdienstleister, Philipp Bohrn: „Dort wo eine höhere Digitalisierung im Prozess zum Einsatz kommt, sind die Aus- wirkungen von Mifid II bei den angeschlos- senen Beratern deutlich geringer zu spüren.“ Digitalisierung Kein Wunder, dass etliche Vertriebe mit Jahresanfang umfangreiche Neuerung imAb- wicklungs- und Beratungsprozess präsentiert haben. Einer dieser Vertriebe ist auch Jung, DMS & Cie., bei der Tochter der deutschen JDC-Group ist man zum Beispiel gerade da- bei, den Beratungsprozess vollständig digital abzuwickeln. Im Bereich der Beratungsdoku- mentation ist man bereits so weit. Nun arbeitet man daran den Prozess bis hin zur Depotbank ebenfalls digital abzubilden. „Die Identifi- kation wird dann künftig über das WebiD- Service mittels Handysignatur stattfinden. Die Beratungsdokumentation und der Depoteröff- nungsantrag samt Kaufauftrag würden dann digital abgewickelt werden“, erklärt Ge- schäftsführer Alexander Varga. Und auch bei Swiss Life Select geht es in eine ähnliche Richtung, so erklärt CEO Christoph Ober- erlacher: „Wir haben die Risikoprofilierung Mifid-II-konform umgesetzt und vollkommen digitalisiert. Das war zugegebenermaßen schwierig. Im Jänner konnten wir dann bereits über 2.000 Risikoprofile von Kunden digital bestätigt durchführen. Dieser Prozess funktio- niert nun völlig papierlos und ist viel schnel- ler, da eine Nachbearbeitung entfällt.“ Dabei gibt Obererlacher durchaus zu, dass die ersten zwei Wochen des Jahres etwas schleppend verlaufen sind, so war die Umstellung gerade für Berater, die nicht sehr digitalaffin sind, nicht gerade leicht. Nun arbeitet man weiter daran, die Berater besser mit den neuen digi- talen Möglichkeiten vertraut zu machen „Da- her bieten wir viele Schulungen an und haben auch eigene digitale Botschafter bestimmt, die Die EU-Richtlinie Mifid II bescherte dem Finanzvertrieb einige schlaflose Nächte. Gut zwei Monate nach dem Inkrafttreten zeigen sich die Marktteilnehmer entspannter. Ausgebliebene Katastrophe Auch nach Inkrafttreten der EU-Richtlinie Mifid II mit Jahresanfang 2018 läuft das Vermögensberatungsgeschäft bei den heimischen Vertrieben – ohne den befürchteten Geschäftseinbruch – weiter.

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